Ich komme von der Arbeit nach Hause, will und muss Essen kochen, aber die Hunde müssen noch raus, und es sieht schon wieder so aus, dass zuerst mal saubergemacht werden muss.

Also fange ich an schlecht gelaunt rumzuwirbeln und gehe in meinen „Erledigungs-Modus.“ Das ist der Zustand, bei dem man mich am besten großflächig umrundet und mir nicht in die Quere kommt.

Mein wunderbarer Sohn liegt entspannt und zeitungslesend auf dem Sofa, schaut mir von dort aus eine Weile zu und ruft gut gelaunt in meine Richtung: „Chill mal, Mama“

Was ich hoffentlich nicht ausgesprochen habe (da bin ich mir bis heute nicht ganz sicher), aber was ich denke, ist in abgeschwächter Form in etwa das:

„Wenn dieser wunderbare, junge Mann mal seinen zauberhaften Hintern vom Sofa erheben und mir helfen würde, dann könnte ich auch chillen. Aber so muss ich ja – wie immer – alles alleine machen.“ Den Ton meiner Gedanken wollen Sie nicht hören.

Kindermund tut Wahrheit kund

Ich war so sauer, dass ich wirklich anfing, mir Gedanken zu machen. Was hatte mich da so getriggert? Ich war auf 180 und mein Sohn voll entspannt. Heute ist mir klar, er hatte mit zielgerichteter Genauigkeit einen wunden Punkt von mir getroffen. Das Thema hat mich wochenlang begleitet – ich fragte mich: Mache ich mir das Leben schwerer als es sein muss? Warum fällt es mir so schwer einfach „zu chillen“ bzw. es mir leicht zu machen, wie mein kluger Sohn es mir zugerufen hatte?

Heute habe ich verstanden, dass es die Diskrepanz der unterschiedlichen Zustände und Energien in diesem Moment war – denn eigentlich hatte er total recht. Sinnvoll wäre es gewesen, mich erstmal auszuruhen, aber ich war so in der Fahrt meines Hamsterrades gefangen, dass ich seinen Rat einfach nur unverschämt fand.

Ich habe daraus gelernt und würde gerne an diesem Beispiel zeigen, warum es uns manchmal so schwer fällt, es uns leicht zu machen.

Aus meiner Sicht gibt es zwei große Barrieren die das verhindern:

  • das individuelle Gedankengut, das eigene Erleben und
  • die erlernten kollektiven Normen.

Mein individuelles Gedankengut – warum ich nicht chillte, sondern staubsaugte

Nachdem ich mich abgeregt hatte, sind mir folgende Punkte klar geworden:

  • Eigener Anspruch: immerwährende Leistungsfähigkeit
    Ich war überhaupt nicht in der Lage, auf gute Weise weiterzuarbeiten.
    Ich war „durch“. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn ich müde von der Arbeit nach Hause komme, mich sofort in die nächste Arbeitsphase zu begeben.
    Wenn ich aufmerksam für mich und die Situation gewesen wäre, hätte ich von meinem Sohn lernen können, der mir ein wunderbares Beispiel dafür gegeben hat, wie es auch geht: z.B. nach der Schule Zeitung zu lesen, anstatt gleich in die nächste Aktivität zu verfallen.Beim Leichtermachen hilft also:

    Learning Nr. 1: Überprüfe, ob Deine Ansprüche Dich unterstützen oder es Dir schwer machen. Pausen sind genauso wichtig, wie Essen kochen oder saubermachen.

  • Eigener Anspruch oder vermeintliche Ansprüche von außen:
    Habe ich einen realistischen Anspruch an mich? Erwarte ich, dass es bei uns immer super-sauber und aufgeräumt aussieht? Wirklich? Mit Kindern und Hunden und zwei berufstätigen Erwachsenen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Meine Freunde in ähnlicher Situation wissen das und kennen das und hätten nie die Erwartungshaltung an mich. Warum habe ich sie dann? Natürlich freue ich mich, wenn es sauber und aufgeräumt ist, aber das geht ganz ehrlich nur, wenn alle mithelfen. Ich alleine bin damit hoffnungslos überfordert.Learning Nr. 2: Klare Vereinbarung und Verantwortlichkeiten für alle Familienmitglieder und zwar mit dem, was jeder am besten kann und macht. Ich z.B. koche gerne oder gehe mit den Hunden raus, Saubermachen gehört nicht zu meinen Favoriten.
  • Pauschalisierungen sind Warnhinweise.
    Generalisierungen wie „immer“ und „alles alleine“ helfen nicht weiter. Muss ich wirklich „immer“ „alles“ alleine machen? Sicherlich nicht. Aber wenn ich sie benutze, sind sie ein Warnhinweis, dass ich in der Situation feststecke und sie zementiere.
    Bin ich wirklich „immer“ in der Verantwortung? Es kann sehr bereichernd sein, aus dem eigenen Verständnis, wie etwas zu sein hat, auszusteigen und mal auszuprobieren was passiert, wenn etwas anders gemacht wird. Was überhaupt nicht hilfreich ist, ist einem Muster zu folgen, von dem ich glaube, dass es auf eine bestimmte Art sein muss. Probieren Sie was anderes aus. Schmeißen Sie den Staubsauger hin, schnappen Sie sich ein Stück Zeitung und folgen Sie dem klugen Kindermund.
    Keiner verhungert, wenn Essen nicht gekocht wird und die Wohnung wird auch nicht zur Müllhalde, wenn nicht täglich aufgeräumt wird.Learning Nr. 3: Machen Sie das Leben zu einem Abenteuerspielplatz. Finden Sie heraus, was ihren Bedürfnissen entspricht. „Man“ macht das so, hilft nicht weiter. Wie wollen Sie es machen? Übrigens: Nach meiner Erfahrung sind selbst pubertierende Kinder bereit zu helfen, wenn sie in angemessener Weise angesprochen werden.

Was sich in mir abspielte, wie ich es mir schwer gemacht habe statt leicht, ist also klar. Aber woher kommen diese Gedanken und Einstellungen? Mir ist noch einmal klar geworden wie stark prägend die unterschiedlichen Systeme, wie Erziehung, Schule und Wirtschaft auf uns einwirken und ihre Spuren hinterlassen.

Welche Botschaften des kollektiven Gedankenguts haben mich geprägt und es mir schwer gemacht es mir leicht zu machen?

Erziehung
Meine Eltern haben beide den Krieg erlebt. Das heißt, der Fokus ihres Lebens lag auf Verarbeitung, Verdrängung und Wiederaufbau. Sprüche wie „ohne Fleiß kein Preis“, „nur die Harten kommen in den Garten“ und nicht zuletzt „das haben wir schon immer so gemacht, das hat sich bewährt“ habe ich oft gehört. Verständlich aus ihrer Sicht. Vorgelebt wurde mir: Pause zu machen gibt es nicht. Gleichberechtigung kam nur am Rande vor und Kinder hatten zu hören und sich zu benehmen. Die Prägung „hart wie Krupp-Stahl“ war nicht lange her. Das ist nicht das Klima in dem „es kann auch leicht gehen“ gut gedeihen konnte.

Schulsystem
Auch in dem Schulsystem, bei dem sich bis heute leider nicht viel verändert hat, ist es nicht einfach zu lernen, es sich leicht zu machen. Nach wie vor müssen alle Kinder zur gleichen Zeit das Gleiche lernen, nicht das Sein und die individuelle Prägung wird berücksichtigt oder gefördert, sondern alle müssen den gleichen Vorgaben folgen. Ich will damit keinesfalls den Berufsstand der Erzieher oder Lehrer anklagen, durchaus aber das System, in dem sie sich bewegen.

Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen war, aber ich habe in der Schule gelernt, wie man sich durchbeißt und wie unwichtig es ist, wie es mir mit den einzelnen Fächern ging. Es musste eben alles gelernt werden. Selbstwahrnehmung, Eigenverantwortung und gute, gelingende Kommunikation haben bis heute keinen Platz im Lehrplan. Auch kein guter Rahmen, um zu lernen es sich leicht zu machen.

Wirtschaft
Der letzte Punkt wäre sicherlich in aller Ausführlichkeit einen eigenen Artikel wert. Trotzdem will ich das Thema kurz anreißen, weil ich es für wichtig in diesem Zusammenhang erachte. Unser derzeitiges Wirtschaftssystem basiert auf kontinuierlichem Wachstum. Um dies zu gewährleisten, müssen ständig Bedürfnisse geweckt werden. Das heißt es muss ein künstlicher Mangel erzeugt werden, der dann mit Konsum gedeckt wird. Wir müssen also immer mehr arbeiten, mehr verdienen, damit wir mehr konsumieren können. Eine Reflektion, was wir brauchen, was wir wollen, was uns wirklich glücklich macht, ist nicht im Plan. Ständig mehr zu wollen führt aber nicht dazu, dass wir entspannen. Im Gegenteil: Je überarbeiteter wir sind, desto kauffreudiger sind wir, um etwas zu kompensieren. Was dazu führt, dass wir zu oft Dinge besitzen, die uns weder glücklich machen, noch das Leben leichter. Aber wie gesagt, das wäre einen eigenen Artikel wert.

Für mich habe ich drei Strategien entwickelt um nicht wieder in eine vergleichbare Situation zu kommen:

  1. Wenn ich müde bin, frage ich, mich bevor ich etwas Neues anfange:
    Was brauche ich wirklich? Was macht mich in dem Moment glücklich?
  2. Mir ist es wichtig, möglichst oft für meine Kinder ein Vorbild und ein Modell zu sein – ein gutes, glückliches und für mich stimmiges Leben zu führen.
    Wenn mir das nicht oder noch nicht immer gelingt, hilft mir die Frage: „Angenommen, ich wäre schon glücklich und zufrieden, wie würde ich mich zu meinem Besten und dem Besten der anderen verhalten?“
    Die Antwort darauf hilft mir oft weiter…
  3. Ich reduziere meine Erwartungshaltung mir gegenüber. Ich muss es nicht von heute auf morgen können. Es sich leicht zu machen kann gelernt werden. Lernen geht am besten mit Spaß, Freude und Leichtigkeit. Also übe ich mich im „es mir leicht machen“.

Ich weiß wie schwer es ist das eigene Hamsterrad zu erkennen und daraus auszusteigen. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, bin ich gern für Sie da. Eine Runde um den See – und viele gemeinsam entwickelte Ideen lassen Sie bestimmt aussteigen. Rufen Sie mich gerne an oder senden Sie mir eine E-Mail!